Die Wahrnehmung ist ein ziemlich trickreiches Ding!
Kürzlich hatte sich jemand bei XING verklickt und mir eine Vernetzungsanfrage geschickt. Als ich höflich antwortete, meinte er, das hätte er nicht beabsichtigt, er hätte nur einen nervösen Finger, der manchmal einfach klickt. Ich könne ihn gern wieder „entxingen“. Meine Wahrnehmung war ihm gegenüber vollkommen frei und ohne Vorinformationen.
Weil ich das auch kenne, dass mein Finger einfach mal klickt, kamen wir ins „Gespräch“. Wir schrieben uns ein paarmal hin und her. Es entwickelte sich ein lustiger Austausch, der völlig leicht war. Der veränderte sich erst in dem Moment, als der nette Herr anfing, mich zu googeln und meinte, ich hätte eine schöne Stimme… Er hatte irgendein Video von mir gefunden im Netz. Dabei ging allerdings die Unbefangenheit flöten und der unbeschwerte Kontakt veränderte sich. Schließlich entglitt er ganz…
Informationen sind die Rahmenbedingungen deines Umgangs mit anderen
Wenn du nichts über einen anderen Menschen weißt, gehst du vollkommen unvoreingenommen auf ihn zu. Je mehr du aber über ihn „erfährst“, umso mehr beziehst du das in deine Kommunikation und in deine Haltung ihm gegenüber mit ein.
Das kann sich ganz gewaltig auswirken. Stell dir mal vor, jemand erzählt dir etwas Negatives über einen anderen Menschen. Kannst du in diesem Moment (und von da an auch in Zukunft) wirklich offen und unvoreingenommen mit diesem anderen Menschen umgehen? Nein. Denn die negative Information beeinflusst deine Haltung. Und damit auch dein Verhalten. Ob du’s merkst oder nicht.
Je nach der Drumherum-Information siehst du einen Menschen in einem anderen Licht. Und das macht sich überall bemerkbar. Auch wenn jemand im Vorstellungsgespräch vor dir sitzt und du seinen Lebenslauf studiert hast… Je nachdem, was du von diesem hältst, fragst du auch nach. Deine Haltung kommt mit rüber und du bekommst die entsprechenden Antworten. Du erfährst vielleicht manche Dinge nicht, die du andernfalls erfahren hättest.
Mach mal ein Experiment:
- Besorge dir das Foto eines Mannes oder einer Frau – vielleicht ein Bewerberfoto – oder eines aus einer Zeitschrift wegen Datenschutz.
- Nun schreibe zwei Zettel. Auf Zettel 1 steht: „Superschnelle Auffassungsgabe, allerdings aus dem letzten Job rausgeflogen, weil ständig mit Vorgesetzten gestritten…“. Auf Zettel 2 steht: „Der vorherige Arbeitgeber bedauert den Verlust, doch wegen Umzug und Heirat ist eine Neuorientierung notwendig…“
- Nun frage ein paar befreundete Unternehmer, ob sie dir mal eben einen Hinweis geben könnten. Du hättest zum Foto zusätzlich diese Insider-Informationen bekommen und möchtest wissen, ob du diesen Menschen ins Auge fassen solltest oder nicht. Teile deine Freunde in zwei Gruppen.
- Gruppe eins zeigst du das Foto zusammen mit Zettel 1. Frage deine Freunde, was sie auf dem Foto noch wahrnehmen und wie sie den Bewerber/die Bewerberin noch einschätzen würden.
- Gruppe zwei zeigst du das Foto zusammen mit Zettel 2. Frage auch diesmal, was die Leute wahrnehmen und was sie noch vermuten.
Information färbt die Wahrnehmung
Du bekommst vieles nicht mehr mit, wenn du durch Vorinformation schon einen „Filter“ in deiner Wahrnehmung hast. Deine Sicht verengt sich. Alles, was nicht in das Bild passt, wird leicht ausgeblendet. Du projizierst deine Vorinformation unbewusst auf dein Gegenüber.
Deshalb sei mit allem vorsichtig, was du über andere hörst. Bleib bewusst offen. Erzähle vor allem nichts Negatives über andere. Sonst nimmst du anderen Chancen und dir deinen Seelenfrieden. Denn alles wirkt auf dich zurück.
Also bleib offen und unvoreingenommen und glaube nicht gleich alles, was dir andere Leute über jemanden erzählen. Sie haben ihre eigene Sicht und die muss nicht der Realität entsprechen. Gib jedem eine frische Chance, ungefärbt. Und wenn du kannst, auch jeden Tag neu!
Hanne Demel
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