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Nachfolge in Familienunternehmen
Warum Gleichberechtigung keine gute Option ist

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist alles andere als leicht. Wenn Eltern in Familienunternehmen ihr Lebenswerk übergeben, steht oft vor allem ein Wunsch im Raum, der lauter ist als jeder Vertrag. Es soll gerecht zugehen. Alle Kinder sollen das Gleiche bekommen – damit niemand sich benachteiligt fühlt. „Gleiche Anteile und gleiche Macht“ bedeuten für Eltern meist „gleiche Liebe“.

Klingt edel und ist sehr menschlich. Aber in der Praxis führt das oft genau dorthin, wovor sich alle fürchten. Nämlich in endlose Diskussionen, stille Kränkungen und gelähmte Entscheidungen.

Gerade bei der Nachfolge in Familienunternehmen ist der Gedanke tief verwurzelt, dass Gerechtigkeit Gleichheit bedeutet. Eltern wollen ihren jahrzehntelangen Einsatz mit einem gerechten Erbe krönen. Doch Nachfolge ist kein Rechenspiel, sondern ein zutiefst emotionaler Prozess.

Viele Unternehmerfamilien erleben die Übergabe als Ausnahmezustand. Jahrzehntelang war das Unternehmen Lebensinhalt und Identität. Aber plötzlich soll es jemand anders führen. Und dann stehen da die Kinder. Jedes hat seinen/ihren eigenen Kopf und eine eigene Geschichte. Und ohne es zu bemerken flammen oft auch alte Rivalitäten aus Kindertagen wieder auf.

In dieser Spannung ist die Sehnsucht nach Harmonie verständlich. Eltern wollen Frieden stiften, nicht Streit säen. Also teilen sie „gerecht“ auf. Jeder bekommt denselben Anteil, jeder darf mitreden. Nur: Damit schaffen sie kein Gleichgewicht, sondern ein System, das von Anfang an instabil ist.

Denn in der Wirtschaft – anders als in der Familie – braucht es klare Entscheidungen. Und jemand muss sie treffen dürfen. Wenn zwei oder drei Geschwister genau denselben Einfluss haben, entsteht oft ein Machtvakuum. Keiner will dem anderen wehtun, also werden Konflikte vertagt. Entscheidungen versanden. Das Unternehmen verliert Tempo – und damit auch Zukunftsfähigkeit.

Die Nachfolge in Familienunternehmen wird häufig von einem fatalen Missverständnis begleitet: Gleichheit und Gerechtigkeit seien dasselbe. Gleichheit meint, dass alle dasselbe bekommen. Gerechtigkeit meint, dass jeder genau das bekommt, was er tragen kann, leisten will oder verantworten soll.

In vielen Familien wird diese Unterscheidung übersehen, weil Liebe mit Gleichbehandlung verwechselt wird. Eltern glauben, ungleiche Anteile seien ein Zeichen von Bevorzugung. Tatsächlich kann es aber ein Akt tiefer Verantwortung sein, die Rollen unterschiedlich zu gestalten.

Gerecht ist nicht, wenn alle gleich viel besitzen – sondern wenn die Struktur so angelegt ist, dass das Unternehmen stabil bleibt und die Familie tragfähig.

In gleichberechtigten Führungsmodellen unter Geschwistern passiert oft das, was man in vielen Familienunternehmen beobachten kann: Das System selbst übernimmt die Macht.

Nicht die Menschen steuern es, sondern unausgesprochene Dynamiken – alte Rollenmuster, verletzte Eitelkeiten, Loyalitäten, die wichtiger sind als Lösungen. Die Diskussion über Zahlen ist dann nur noch die Oberfläche. In der Tiefe brodelt zum Beispiel der Wunsch: „Ich will gesehen werden. Ich will nicht weniger sein als du.“

Ohne klare Entscheidungsstrukturen entsteht ein verdeckter Machtkampf. Und paradoxerweise fühlt sich am Ende keiner wirklich verantwortlich. Denn wenn alle gleich sind, trägt niemand allein das Risiko. Und wer kein Risiko trägt, übernimmt auch selten die volle Verantwortung und echte Führung.

Viele Eltern scheuen sich bei der Nachfolge im Familienunternehmen davor, einem Kind die Mehrheit oder das letzte Wort zu geben. Sie fürchten, das Band zu den anderen zu gefährden. Doch oft ist genau dieser Schritt der Beginn einer neuen Ehrlichkeit.

Ungleiche Anteile bedeuten nicht Ungerechtigkeit. Sie bedeuten Klarheit. Einer trägt die finale Verantwortung – und die anderen wissen, woran sie sind. Sie können eigene Rollen einnehmen, zum Beispiel als Beiräte, Mitgesellschafterinnen oder strategische Partner.

Gute Nachfolgeregelungen schaffen Transparenz statt Tabus. Sie sagen offen: „Wir vertrauen dir die Führung an – und wir schaffen Strukturen, die dich kontrollieren, aber nicht blockieren.“

Fairness in der Nachfolge eines Familienunternehmens ist kein Rechenspiel, sondern eine Haltung. Sie zeigt sich nicht in Prozentzahlen, sondern in Gesprächen, in Wertschätzung, in der Art, wie über Verantwortung gesprochen wird.
Wer Nachfolge ernst meint, muss über Gefühle sprechen dürfen, nicht nur über Geschäftsanteile. Themen wie Stolz, Angst, Enttäuschung, Zugehörigkeit und auch Erwartungen sollten auf den Tisch kommen. Denn nur dann kann aus einem Erbe ein gemeinsames Zukunftsprojekt werden. Nur dann kann die Arbeit im „neuen alten Unternehmen“ Freude machen und den Familienzusammenhalt fördern.

Denn wirkliche Fairness bedeutet, das Unternehmen darf weiterleben. Und die Familie auch.

Lies hier weiter, was bei der Übernahme eines Familienunternehmens oft für Konflikte aufgewühlt werden und was du dagegen tun kannst.

Hanne Demel

Hanne Demel arbeitet seit fast 30 Jahren psychotherapeutisch und als Coach für Unternehmer. Ihr Schwerpunkt sind emotionale Themen - auch im Unternehmenskontext. Professioneller Hintergrund: Sozialpädagogin, systemische Familientherapie und Organisationsaufstellungen, Hypnosetherapie, Tanz- und Bewegungstherapie und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie lebt in Zell bei Würzburg.

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